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Zweite
Halbzeit

______ Vom talentierten Jugendkicker zum vielversprechenden Fußballprofi, vom bitteren Karriereende bis zum innovativen Doppelunternehmertum: Jens Wissing hat in seinen 32 Lebensjahren schon viel erlebt. Der gebürtige Gronauer hat sich in den vergangenen Jahren neu erfunden, indem er sich immer  auf das konzentriert hat, was ihm wichtig war. 

ZZwei Eisentore, ein festgetretener Rasen und natürlich ein Ball: Mehr brauchte es Mitte der 1990er-Jahre nicht, um Jens Wissing glücklich zu machen. „Ich hab’ keine Ahnung, wie viele Nachmittage ich hier gekickt habe. Das waren hunderte, Quatsch, wahrscheinlich tausende“, erinnert sich der heute 32-Jährige an die Zeit auf dem Bolzplatz an der Buterlandstraße im Westen von Gronau. Wissing lehnt sich an die Torstange, schaut über die Wiese, auf der auch der Schützenverein Buterland-Beckerhook jedes Jahr sein Schützenfest feiert. „Das sieht immer noch genauso aus wie früher“, sagt der gebürtige Gronauer, der sein Abitur am Werner-von-Siemens-Gymnasium machte. „Es kommt einem irgendwie viel kleiner vor – aber damals waren wir nun mal selbst noch klein.“

______ Aus dem Nachwuchskicker, der mit fünf Jahren anfing, bei der SG Gronau Fußball zu spielen, wurde in den kommenden Jahren ein Profifußballer. Seine Stationen lesen sich wie das Who’s who des westdeutschen Fußballs:

______ Aus dem Nachwuchskicker, der mit fünf Jahren anfing, bei der SG Gronau Fußball zu spielen, wurde in den kommenden Jahren ein Profifußballer. Seine Stationen lesen sich wie das Who’s who des westdeutschen Fußballs:

Andreas Schmeing

Andreas Schmeing kennt Jens Wissing schon seit der Kindheit. Der Banker hat seine Karriere genau verfolgt. Er hatte auch die Idee, die Geschichte über den ehemaligen Fußballprofi erzählen zu lassen: „Ich finde es einfach sehr beeindruckend, wie Jens seine persönliche Erfahrung durch seine Verletzung und die vielen Rehas nutzt, um jetzt anderen Menschen gezielt zu helfen. Das ist eine Geschäftsidee mit Zukunft.“

Teilmarktleiter und Private Banking-Berater für Gronau

Mit 13 Jahren wechselt er in das Nachwuchszentrum des FC Schalke 04, mit 16 dann wieder näher an die Heimat zu Preußen Münster, wo er nach erfolgreichen Saisons bei den B- und A-Junioren im Jahr 2007 den Sprung in die Regionalliga schafft. Trainer dort ist Roger Schmidt, der später auch Bayer Leverkusen und Red Bull Salzburg trainierte. Für Wissing ist er so etwas wie ein Mentor. „Er hat mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht – aus meiner Sicht das Beste, was dir als Junior passieren kann. Wir haben uns einfach gut verstanden und sind heute noch in Kontakt.“
Der junge Spieler steht regelmäßig auf dem Platz, spielt sich so in die Notizbücher der Bundesligisten: Zur Saison 2010/2011 wechselt er zu Borussia Mönchengladbach. „Es war schon verrückt – als hätte ich gestern noch auf dem Bolzplatz an der Buterlandstraße gekickt – und plötzlich stand ich mitten im BORUSSIA PARK. Für mich war das alles unwirklich, die große Bühne, wie ein Traum. Ich hatte ein aufregendes Jahr, das ich nie vergessen werde.“
Wissing steht nur einen kleinen Schritt vor einer Profikarriere, mit intensiven Spielen und vielleicht auch Reisen rund um die Welt, großen Titeln und hochdotierten Verträgen. Sein Traum wird aber von der bitteren Realität eingeholt.

Januar 2010: Ein Foul im Training verändert alles. „Nach dem höllischen Schmerz gingen mir direkt die Fragen durch den Kopf: Wie schlimm ist es? Wann kann ich wieder spielen?” Das Sprunggelenk wurde stark verletzt. Nach einer temporären Genesung sollten ihn die Folgen des Unfalls nicht mehr loslassen. „Ich merkte schnell, dass mein Körper nicht mehr die gewohnten 100% gibt, habe in der Saison auch nur drei Spiele in der Bundesliga gemacht.“ Auf die erste Operation folgten bald Operation 2, 3, 4, 5 – Jens Wissing fasst danach nie wieder richtig Fuß im Profifußball. Er wechselt noch zum SC Paderborn – damals in der 2. Liga –, anschließend zum Drittligisten MSV Duisburg. „Ich hab’s wirklich versucht, wollte nicht einfach so meine Fußballschuhe an den Nagel hängen. Ich merkte dann, dass es nicht mehr geht, ich hab‘ mehr Reha gemacht als Fußball gespielt. Ich hab‘ mich mit den Ärzten hingesetzt und überlegt, was ich tun soll, dann aber alleine die Entscheidung getroffen: Okay, das war’s jetzt hier.“ Eine schwere Entscheidung, aber: „Ich habe mich direkt danach erleichtert gefühlt, es war einfach gut, das ausgesprochen zu haben. Irgendwo musste ich auch an meine Gesundheit denken. Ich sehe das so: Meine Fußballkarriere war vielleicht nicht lange, aber intensiv und aufregend, und das werde ich nie vergessen.“

Mit gerade einmal 25 Jahren ist die erste Karriere also beendet. Für Jens Wissing war es jedoch erst die erste Halbzeit. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, schaut der Gronauer nach vorne. Nach einem halben Jahr, in dem er viel reist – „Ich musste einfach mal ein bisschen nachholen und die Dinge reifen lassen“ –, entscheidet er, sich selbstständig zu machen. „In meiner Jugendzeit bei Preußen Münster habe ich eine Lehre in der Versicherungsbranche angefangen. Na ja, sagen wir’s mal so: Da habe ich gemerkt, dass ich für eine Anstellung nicht unbedingt geschaffen bin“, erklärt Wissing mit einem breiten Grinsen. Sein eigener Chef zu sein, etwas zu entwickeln und aufzubauen, das liegt ihm eher.

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  1. Jens Wissing, Preußen Münster – beim Einwurf während des Regionalliga-
    Spiels zwischen Schalke 04 II und Preußen Münster in der VELTINS-Arena am
    17. August 2008 in Gelsenkirchen, Deutschland
  2. Jens Wissing, Borussia Mönchengladbach – im Duell mit Richard Sukuta-Pasu,
    FC St. Pauli, am 9. November 2011
  3. Jens Wissing, 2. Bundesliga, Saison 2011/2012, SC Paderborn, kurz nach
    seiner Verletzung
2.
Ich merkte dann, dass es nicht mehr geht, ich war mehr in der Reha als auf dem Platz.

JENS WISSING

3.
Für mich war das unwirklich, vom Bolzplatz ins große Stadion — wie ein Traum.

„Von da an war es eigentlich ganz simpel: Seit meiner Verletzung war ich täglich damit konfrontiert, wie wichtig es ist, seinen Körper gesund zu halten. Damit wollte ich auch anderen Menschen helfen.“ Im Jahr 2015 gründet der Sportfachwirt – die Ausbildung hat er im Fernstudium neben seiner Profikarriere gemacht – mit einem Freund die Firma FiveHomeFitness. „Wir sind explizit kein Fitnessstudio”, sagt der Sportler, während er durch den hellen Raum am ehemaligen Güterbahnhof in Münster geht. „Unsere gut ausgebildeten Trainer helfen Menschen mit körperlichen Problemen individuell, sich fit zu machen oder fit zu werden.“

Wir haben nur diesen einen Körper. Und jeder hat das Recht, ihn in Bestform zu halten.

JENS WISSING

Personal Training ist das Stichwort, zu dem zum Beispiel das Vermeiden bestimmter falscher Bewegungsmuster oder die Beratung zur richtigen Ernährung gehört. Das Besondere an dem Konzept ist, dass Five-HomeFitness auf einen Pool an Trainern zurückgreift und so sehr flexibel auf die Anforderungen eingehen kann. Dazu trägt auch das eigene Studio bei, in dem Kurse und Einzeltrainings stattfinden können. Hinzu kommt, dass die Geschäftsidee auch auf betriebliche Gesundheitsförderung zielt. „Wir haben hier Teams oder Abteilungen aus Unternehmen, die sich gemeinsam betätigen und damit auch als Gruppe lernen.“ Zwischen 15 und 20 Kunden kommen täglich zum Training, FiveHomeFitness ist gut gebucht. „Die Leute entwickeln zunehmend ein stärkeres Bewusstsein für einen gesunden Lebenswandel, wollen sowohl privat als auch beruflich leistungsfähig bleiben.“

Dem Unternehmer, der nebenbei auch noch Betriebswirtschaftslehre an der IUBH Fernuniversität studiert, reichte das aber nicht. Anfang 2019 gründet er das Präventionszentrum Münster, das professionelle Kurse anbietet, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Das mag erstmal nichts Neues sein – „nur, dass die Kurse dort Spaß machen“, wirft Wissing lachend ein. „Rehabilitationssport hat einen viel zu schlechten Ruf. Jeder hat das Recht darauf, eine bestimmte Anzahl an Maßnahmen zur Prävention in Anspruch zu nehmen, nur sind es oft sehr langweilige Angebote. Wir entwickeln als innovativer Gesundheits-dienstleister in Zusammenarbeit mit vielen Partnern neue Kursformate, die viel ganzheitlicher aufgebaut sind. Wir gehen mit den Kursteilnehmern Trampolin springen, in den Kletterpark oder machen mit ihnen Yoga. Prävention kann auch spannend sein.” Neben dem Spaßfaktor legt das Studio auch sehr großen Wert auf die Wissensvermittlung. Denn nur so kann Prävention erfolgreich sein. Allein im ersten Jahr hat das Präventionszentrum Münster auf diesem Wege mit rund 130 Sportvereinen zusammengearbeitet.

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Das Start-up-Power-
Team

Am alten Güterbahnhof in Münster arbeitet die Five-HomeFitness GmbH, die sich auf Personal Training spezialisiert hat. Im Studio mit Industriecharme können Menschen effizient ihre Fitness trainieren und für ihre Gesundheit sorgen. Die Kurse werden auch außer-halb der Räume zum Beispiel in Unternehmen angeboten.

Hafenstrasse 64
48153 Münster

4. Jens Wissing, FiveHomeFitness in Münster
5. Trainingsraum FiveHomeFitness in Münster

 

Dennoch: Wissing merkt, dass es ohne den Fußball nicht geht. Schon im Sommer 2014 wird er Co-Trainer des ambitionierten münsterischen Stadtteilvereins 1. FC Gievenbeck – im „gehobe-nen Amateurbereich“, wie er sagt. „Ich habe sofort gemerkt, dass es mir auch guttut, im Team etwas zu machen, gemeinsam ein Ziel zu verfolgen.“ Deswegen macht er parallel sämtliche Trainerscheine bis hin zur A-Lizenz. Mit der könnte er eine Mannschaft in der Regionalliga eigenverantwortlich trainieren. Und tatsächlich: Sein Ansporn, der gleichermaßen seine Firmen mit vorantreibt, bleibt auch Borussia Mönchengladbach nicht verborgen. Seit 2019 ist er dort Co-Trainer der U23, die eng mit den Profis zusammenarbeitet. „Bei Borussia Mönchengladbach hatte ich die aufregendste Zeit meiner Fußballkarriere – ist doch wohl klar, dass ich zurückkomme“, grinst er.
Für Wissing kein Grund, sein Unternehmen auf der Ersatzbank sitzen zu lassen: „Das Personal-Training-Studio FiveHomeFitness ist mein ganzer Stolz, und das werde ich auch mit meinen Partnern weiter ausbauen. Dafür wechsle ich gerne mal vom Platz an den Schreibtisch.“ Trotz Verletzung bleibt es also sportlich im Leben des ambitionierten Ex-Fußballers. Ob in Zukunft noch ein weiteres Herzensprojekt dazukommt, weiß er noch nicht: „Ich möchte ein-fach Chancen nutzen, im Geschäft, aber auch in der Welt des Fußballs. Denn eins habe ich gelernt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – weiterkämpfen lohnt sich immer.”

6. Jens Wissing, Bolzplatz an der Buterlandstraße im Westen von Gronau

So ganz ohne Fußball ging es dann doch nicht.

JENS WISSING

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