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Morgen kann kommen – oder?

______ Ein Gespräch mit dem Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky.

Sven Gábor Jánszky (51) ist Chairman des größten Zukunftsinstituts Europas, des ‚2b AHEAD ThinkTank‘. Jánszky coacht Top-Manager und Unternehmen in Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements, leitet Geschäftsmodellentwicklungen in Inkubatoren und ist gefragter Keynote-Speaker auf Strategietagungen in Deutschland und Europa.

Herr Jánszky, ein Sprichwort besagt, dass das Schwierige an der Zukunft die Ungewissheit ist. Mit welchen Methoden verschaffen Sie sich als Zukunftsforscher die Gewissheit für Ihre Prognosen?

Gewissheit haben wir nicht – aber Wahrscheinlichkeit. Bei mir im Institut arbeiten Doktorinnen und Doktoren der Zukunftsforschung. Es gibt also anerkannte wissenschaftliche Methoden, die man weltweit an Universitäten studieren kann. Der Kern dieser wissenschaftlichen Methoden sind Tiefeninterviews mit den Strategiechefs der großen, trendtreibenden Unternehmen weltweit. Wer deren Prognosen bekommt, der kann die kommenden zehn Jahre mit guter Wahrscheinlichkeit prognostizieren. Und wenn die Unternehmen die Veränderungen der nächsten 5–10 Jahre in Technologien, Geschäftsmodellen und Kundensegmenten für ihre Branche kennen, dann kennen sie auch ihr eigenes Zielbild in 5 Jahren und können sich heute bereits einen Wachstumsplan dafür geben.

Mein Ziel ist es, die wissenschaftlichen Methoden der Zukunftsforschung zu nutzen, um jedes kleine, mittlere oder große Unternehmen auf den nächsten Wachstumsschritt zu führen. Und zwar nicht auf irgendeinen Schritt, sondern auf den, der die Potenziale der Zukunft am besten nutzt.

Sie sind Keynote-Speaker und beraten führende Unternehmen bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen und Strategien für deren Zukunft. Damit übernehmen Sie auch ein Stück weit persönliche Verantwortung für deren Erfolg, oder?

Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um? Dies ist eine große Verantwortung. Das wichtigste Zeichen dieser Verantwortung ist, dass ich persönlich und mit den von mir gemanagten Investmentfonds mein eigenes Geld in unsere Prognosen investiere – weit über 10 Millionen Euro inzwischen. Denn niemand hat einen Nutzen von einem Zukunftsforscher, der nur über die Welt in 10 Jahren fabuliert. Mein Motto ist: Vertraue keinem Berater, der nicht sein eigenes Geld in seine eigenen Prognosen investiert. Der hat entweder kein Geld, dann hat er keine Ahnung von Geschäftsmodellen. Oder er hat Geld, aber investiert es nicht. Dann traut er seinen eigenen Prognosen nicht.

In Pflege­einrichtungen und Hospizen werden die heutigen Zukunfts­technologien einen riesigen Einfluss haben. Und zwar in einer ganz anderen Art und Weise, als die meisten Menschen heute denken.

  SVEN GÁBOR JÁNSZKY

Für diese Ausgabe haben wir uns mit Menschen getroffen, die sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel in einem Hospiz. Wie könnten Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz dort unterstützend eingesetzt werden?

In Pflegeeinrichtungen und Hospizen werden die heutigen Zukunftstechnologien einen riesigen Einfluss haben. Und zwar in einer ganz anderen Art und Weise, als die meisten Menschen heute denken. Üblicherweise wird ja davon gesprochen, dass Roboter bestimmte Tätigkeiten in der Pflege übernehmen. Das werden sie natürlich auch tun.

Aber viel wichtiger ist, dass künstliche Intelligenzen in die Hospize kommen. Mit den Nachfolgern der heutigen GPT-Technologie werden wir menschliche Gespräche führen können, entweder tiefsinnig und intellektuell oder einfühlsam und emotional oder auch Smalltalk. Genau wie wir es gerade wollen. Dabei können die KI-Assistenten der Zukunft sogar das Aussehen und die Stimme von Menschen annehmen – von realen Menschen und von verstorbenen Menschen. Meine Prognose ist: Die Haupttätigkeit der Bewohner von Hospizen wird schon in wenigen Jahren das Training von KI-Tools sein, um ihren Enkeln das Geschenk zu machen, dass diese auch nach dem Tod von Oma oder Opa mit ihnen telefonieren können.

Das Konzept von Raiffeisen war es nicht, gegen die neuen Technologien zu kämpfen.

 SVEN GÁBOR JÁNSZKY

Der Erfolg der Volksbanken beruht unter anderem auf dem Genossenschaftsprinzip: Was einer nicht schafft, das schaffen viele. Klingt verstaubt, aber selbst die ‚digital natives‘ der Generation Zukunft schätzen den Genossenschaftsgedanken sehr. Warum ist die Idee nach wie vor so erfolgreich und wird das Ihrer Meinung nach auch morgen so bleiben?

Versetzen wir uns in die Zeit vor fast 200 Jahren, als Friedrich Wilhelm Raiffeisen die ersten landwirtschaftlichen Genossenschaften gründete. Dies war die Zeit der Industrialisierung. Es war die Zeit, als neue Technologien die vorherigen Arbeitsweisen grundlegend veränderten. Das Konzept von Raiffeisen war es nicht, gegen die neuen Technologien zu kämpfen. Sein Konzept war auch nicht, wie Karl Marx nach dem allmächtigen Staat zu rufen. Sondern sein Konzept war es, die neuen Technologien auch für die unbemittelten Landwirte zugänglich zu machen. Die intelligente Form dafür ist die Genossenschaft. 

Heute haben wir eine ganz ähnliche Situation: Neue Technologien wie KI und Robotik verändern bisherige Arbeitsweisen grundlegend. Was ist heute, 200 Jahre nach Raiffeisen, die wichtigste Antwort auf die Frage nach den Wachstumschancen aller Gesellschaftsgruppen? Es ist nicht der Ruf nach dem allmächtigen Staat. Sondern es sind Genossenschaften, die ihren Mitgliedern Hilfe zur Selbsthilfe geben.