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Sprechstunde

______ In Deutschland sind momentan mehr als 40.000 Allgemeinarztsitze nicht besetzt, direkt dahinter folgen die Neurologen und Kinderärzte. Diese Lage wird sich noch weiter zuspitzen, denn  die Ärztegeneration der Babyboomer geht langsam in den Ruhestand. Dadurch  werden in naher Zukunft immer mehr Praxen frei, für deren Übernahme aber der medizinische Nachwuchs fehlt.

Benedikt Methling ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in der Gemeinschaftspraxis Veltrup / Link / Methling in Ahaus. Während seines Studiums der Humanmedizin verbrachte er sein praktisches Jahr in Südafrika und Ghana. 2018 entschied er sich für eine berufliche Zukunft in Ahaus, wo Familie Methling heute auch lebt.

Benedikt Methling ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in der Gemeinschaftspraxis Veltrup / Link / Methling in Ahaus. Während seines Studiums der Humanmedizin verbrachte er sein praktisches Jahr in Südafrika und Ghana. 2018 entschied er sich für eine berufliche Zukunft in Ahaus, wo Familie Methling heute auch lebt.

Benedikt Methlings Töchter fahren mit dem 16:45-Uhr-Bummelzug in das Wartezimmer von Papas Praxis ein, um ihn zum Spielen abzuholen.

DDas betrifft vor allem ländliche Gebiete, denn immer weniger junge Ärzte sind bereit, eine Landpraxis zu übernehmen. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, so wie den Kinderarzt Dr. Benedikt Methling, seit 2020 Mitinhaber einer Gemeinschaftspraxis in Ahaus, der sich entgegen dem Trend ganz bewusst für das Landleben entschieden hat. Das hat uns neugierig gemacht und wir haben uns mit ihm für eine persönliche Sprechstunde verabredet.

Herr Dr. Methling, normalerweise sind Sie es ja, der untersucht. Heute möchten wir das Stethoskop einmal umdrehen und uns anhören, warum Ihr Herz nicht für die Big City, sondern für das kleine Ahaus schlägt. Kannten Sie die Stadt und unsere Region schon vorher?
Ja, sehr gut sogar. Ich stamme aus Bocholt, also aus der direkten Nachbarschaft, und meine Frau
Maren kommt direkt hier aus Ahaus. Sie ist von Beruf Assistenzärztin für Gynäkologie. Wir sagen deswegen immer, wir arbeiten Hand in Hand (lacht).
2018 habe ich hier in der Gemeinschaftspraxis Veltrup/Link zunächst als Assistenzarzt für Kinderheilkunde angefangen. Die Arbeit hat von Anfang an so viel Spaß gemacht, dass ich mir hier auch meine langfristige berufliche Zukunft gut vorstellen konnte. Also blieb ich direkt hier, praktiziere heute als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und bin mittlerweile sogar Gesellschafter der Praxis.

Sie wohnen auch in Ahaus und haben zwei kleine Töchter. Immer mehr junge Familien haben leider keine Lust auf ländliche Regionen und ziehen in die Großstädte. Die einen der besseren Ausbildungs- und Jobaussichten wegen, die anderen fühlen sich vom urbanen Lifestyle und dem größeren Kulturangebot angezogen. Spielen diese Faktoren auch bei der Standortwahl junger Ärzte eine Rolle?
Ich kann nur vermuten, warum manche Kollegen lieber in der Stadt arbeiten, statt aufs Land zu gehen. Aus deren beruflicher Sicht vielleicht, weil es in kleineren Städten wie Ahaus keine großen Kinderkliniken gibt und viele Abteilungen regionaler Kliniken in Deutschland unter anderem aus Kostengründen geschlossen wurden. Das heißt, eine Klinikkarriere für junge Ärzte bieten nur die größeren Städte. Hinzu kommt, dass insgesamt immer weniger Mediziner in der direkten Patientenversorgung arbeiten wollen, und von denen zieht es eben nicht genug ins Münsterland.

Wollten Sie denn immer schon aufs Land oder was hatten Sie nach dem Studium für Pläne?
Während meines Studiums hatte ich mir mal überlegt, ob ich nicht an eine Klinik gehen soll. Neurochirurg an einer Uniklinik hätte mir gefallen oder auch Unfallchirurg. Nach meinen Auslandserfahrungen in Südafrika und Ghana wurde mir aber immer klarer, dass mich Kinderheilkunde am meisten interessiert. Ich finde es einfach toll, die unmittelbare Wirkung meiner Arbeit erleben zu können. Manchmal reicht schon die Einmalgabe des richtigen Medikaments, um kleine Patienten schnell wieder gesund zu machen. Mir gefällt es, den Gesundungsprozess erkrankter Kinder ärztlich zu unterstützen und so lange zu begleiten, bis alles in Ordnung ist. Das macht mich nach wie vor sehr glücklich. Als unsere erste Tochter zur Welt kam, war es für meine Frau und mich sofort klar, dass wir in der Heimat und nahe bei unseren Familien leben wollten. Eigentlich ging es nur darum, ob in Bocholt oder Ahaus. Es war ein echter Glücksfall, dass die Praxis,
deren Miteigentümer ich heute bin, genau zu dem Zeitpunkt einen Assistenzarzt suchte. Da habe ich nicht lange überlegt und die Entscheidung bislang nicht bereut.

Wie hat es sich angefühlt, nach so vielen Jahren in Großstädten und im Ausland wieder zurückzukommen?
Ehrlich gesagt, ich hatte mir das schwerer vorgestellt. Das Wichtigste war für mich erst einmal, dass es beruflich 100 % stimmt. Die Arbeit in der Gemeinschaftspraxis fand ich sofort klasse und sehr kollegial. Für mich stimmen hier aber auch viele andere Faktoren. Klar, Großstadt ist cool und es gibt bestimmt mehr Theater und Kinos als in Ahaus oder Gronau. Aber hier sind unter anderem die Immobilienmieten deutlich niedriger als in Ballungsräumen, und das mindert den finanziellen Stress, sowohl beruflich als auch privat. Ich spüre auch ganz für mich persönlich, dass das ländliche Arztleben, dazu noch in meiner Heimatregion, genau das Richtige für mich ist.

Jährlicher demografie­bedingter Ersatzbedarf an Ärzten in Deutschland bis 2030

© Statista, 2023

Ich spüre auch ganz für mich persönlich, dass das ländliche Arztleben, dazu noch in meiner Heimatregion, genau das Richtige für mich ist.

BENEDIKT METHLING

Kinderarzt ohne Kittel? „Den brauche ich nicht“, sagt Benedikt Mehling. „Ohne Kittel gibt es weniger Distanz zwischen mir und den Kindern. Sie nehmen mich sofort positiver wahr.“

In Fernsehserien wird das Landarztleben oft sehr idyllisch dargestellt. In der Realität klagen aber viele Ärzte in ländlichen Regionen über lange Sprechstunden, hohes Patientenaufkommen und Hausbesuche nach Feierabend und am Wochenende. Umfragen zufolge hält auch die Aussicht auf diese überdurchschnittlich hohe Arbeitsbelastung viele Medizinstudenten davon ab, eine Karriere auf dem Land in Betracht zu ziehen. Haben sie recht mit ihrer Skepsis?
Nein, ich denke nicht, obwohl ich hier natür­lich nur für mich selbst und aus der Perspektive des Kinderarztes, nicht aus der des Allgemeinmediziners ­sprechen kann. Durch die Arbeitsteilung in meiner Gemeinschaftspraxis habe ich zum Beispiel spürbar mehr Zeit für mich als meine ehemaligen Kommilitonen, die Klinikärzte geworden sind und 60 bis 70 Stunden pro Woche ackern. Klar, ich muss gelegentlich Hausbesuche machen und zweimal im Monat Notdienst, aber in der Regel schaffe ich meine Arbeit in den üblichen Zeiten von 7:30 Uhr bis 17:00 Uhr. Außerdem kann ich hier meine Arbeit und Arbeitszeiten selbst gestalten und habe nebenbei sogar noch genügend Zeit für andere Dinge, die beruflich wichtig für mich sind, zum Beispiel für meine Weiterbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. 

Sie erwähnten vorhin, dass Sie als Student mit einer Klinikkarriere geliebäugelt haben. Stattdessen sind Sie Kinderarzt auf dem Land geworden. Wenn Sie heute noch einmal entscheiden könnten, würden Sie es wieder so machen?
Absolut. Ich bin auch heute noch mit einigen Studienkollegen befreundet, die sich damals anders entschieden haben als ich. Die sind heute Oberärzte an bekannten Kliniken und publizieren Fachartikel am laufenden Band. Ich gönne denen ihre Erfolge von ganzem Herzen, möchte aber nicht mit ihnen tauschen. Anästhesist an der Charité hört sich natürlich toller an als Landarzt in Ahaus, aber damit kann ich gut leben. Untereinander gibt es übrigens null Standesdünkel, da sind wir alle gleichberechtigt und tauschen unsere Erfahrungen gerne gemeinsam aus. Wohin man geht, ist eine individuelle Entscheidung. Wir fühlen uns einfach am wohlsten, wo wir jetzt sind: in der Heimat. Meine Frau ist sozial gut angebunden, wir haben nette Nachbarn und wohnen in einem schönen Neubaugebiet, in dem 40 Kinder leben – perfekt für unsere beiden kleinen Töchter. Und es gibt in Ahaus sogar einen Verein für meinen Sport, Brazilian Jiu-Jitsu.

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3. Der spannende Sport ist kein reines Selbstverteidigungsprogramm, sondern er schult außerdem das Körpergefühl der Kinder und weckt ihre natürliche Freude an der Bewegung.

4. Gleich geht´s los! Die jungen Athleten bei der mentalen und kleidungstechnischen Schulung durch ihren Coach.

Brazilian Jiu-Jitsu ist ideal geeignet für Kinder, die dabei wichtige Dinge wie Selbst­behauptung und Deeskalations­techniken spielerisch einüben. Dabei kommt natürlich auch der Spaß nicht zu kurz!

BENEDIKT METHLING

Brazilian Jiu-Jitsu, eine Abwandlung und Weiterentwicklung der Kampfsportarten Judo und Jiu-Jitsu. Als ich neu nach Ahaus kam, habe ich sofort gegoogelt, ob das hier auf dem Land überhaupt jemand anbietet. Und siehe da, das gab es nicht nur, sondern der Trainer kommt auch noch aus meinem alten Verein in Bochum. Heute trainiere ich eine Kindergruppe an seiner Sportschule, das macht riesig viel Spaß. Noch einmal doppelt so viel, seit die Einschränkungen der Coronakrise vorbei sind und der Nachwuchs wieder frei herum­toben kann.

Das können wir uns gut vorstellen. Wie haben Sie als Kinderarzt die Coronakrise persönlich erlebt?
Covid war eine sehr komplexe Herausforderung, denn der Schutz der Kinder ist schließlich meine und die Aufgabe meiner Kollegen. Besonders die Kinder mit schwierigem und bildungsfernem Hintergrund wurden oft abgehängt und leiden bis heute darunter. Hoffen wir, dass es in Zukunft deutlich weniger Fälle geben wird und dass wir alle lernen, besser damit umzugehen.

Das hoffen wir auch. Vielen Dank für die Sprechstunde, Herr Dr. Methling.

Covid war eine sehr komplexe Herausforderung, denn der Schutz der Kinder ist schließlich meine und die Aufgabe meiner Kollegen.

BENEDIKT METHLING

Einer für alle, alle auf einen: So macht das Training doppelt Spaß.