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Vier Fragen an Florian Schroeder
Florian Schroeder (Jahrgang 1979) begann bereits als Student seine Bühnenkarriere als Kabarettist und Parodist, sammelte Erfahrungen als Radio- und Fernsehmoderator und erhielt zahlreiche Auszeichnungen.
Er moderiert die SWR-Kabarettsendung „Spätschicht“, ist erfolgreicher Buchautor und bei WDR 2, radioeins und hr1 ist er wöchentlich mit seinen Radiokolumnen zu hören. Herr Schroeder ist ein gefragter Meinungsbildner der jungen Generation und gern gesehener Gast in Talkshows.

Herr Schroeder, Sie haben sich bei der Anti-Corona-Demo in Stuttgart allein auf die Bühne getraut. Was ist das für ein Gefühl, wenn man seine Haltung vor einer großen Menschenmenge vertritt, die anders denkt als man selber?
Ich fand das sehr produktiv und im besten Sinne erweckend. Es ist wichtig, sich immer wieder dem auszusetzen, was scheinbar nicht der eigenen Linie entspricht. Es ist eine Art Immunisierung. Wir alle bewegen uns viel zu häufig in einem Umfeld, das nur die eigenen Worte noch lauter widerhallen lässt. Das kommt am Ende einer Selbsteinschläferung gleich. Insofern war es eine Herausforderung, ein Publikum zunächst für sich zu begeistern, um es anschließend mit einer Meinung zu konfrontieren, die ihm nicht entspricht.
Warum faszinieren uns schlechte Nachrichten und negative Meinungen so viel mehr als gute?
Das hat psychologisch sehr gut nachweisbare Gründe. Schlechte Nachrichten haben Warnhinweis-Charakter. Das Angstzentrum wird getriggert, wir werden aufmerksamer, da alles Negative wie eine potenzielle Gefahr wahrgenommen und dadurch von unserem Gehirn als wichtiger und relevanter eingestuft wird.
FLORIAN SCHROEDERSchlechte Nachrichten haben Warnhinweis-Charakter.
Lesen wir deswegen bei Produktrezensionen im Netz nicht zuerst die vielen guten, sondern die einzige schlechte?
Was die Produktrezensionen angeht, gibt es wohl unterschiedliche Verhaltensweisen. Menschen, die eher zum Pessimismus neigen, suchen wohl eher Gründe, warum etwas ohnehin schlecht und damit nicht gut genug für sie sein kann. Man nennt diese Leute Optimierer – Leute, die immer nur das Beste suchen, darum auch länger suchen, häufig mehr bekommen und mehr verdienen, aber auch unzufriedener sind mit ihrem Leben. Diese Gruppe neigt wohl auch eher zu negativen Rezensionen. Ich muss gestehen, dass ich auch lieber negative Bewertungen lese – aber eher, um herauszufinden, ob die Kritik wirklich differenziert ist oder ob doch nur jemand den Staubsauger schlecht bewertet, weil er zu spät angekommen oder ob der Leser eines Buches es vor allem deshalb schlecht findet, weil er schon am Vorwort gescheitert ist.
FLORIAN SCHROEDERMan nennt diese Leute Optimierer – Leute, die immer nur das Beste suchen, darum auch länger suchen, häufig mehr bekommen und mehr verdienen, aber auch unzufriedener sind mit ihrem Leben.
Querdenker, Putinfreund, Klimakleber: Wer heute anders denkt und handelt als der Mainstream, wird verbal stigmatisiert und verwirkt das Recht, dass man ihm zuhört. Können wir noch zu einer offenen, neugierigen und entspannten Geisteshaltung zurückfinden, bei der wir nur noch Ansichten teilen und Urteile fällen, die auf soliden Fakten basieren?
Zunächst erscheint mir wichtig, dass hier eine kognitive Verzerrung vorliegt: Die scheinbare Spaltung der Gesellschaft, die Zuspitzung der Positionen, geht vor allem von sehr lauten Minderheiten aus, die zwar sehr präsent, aber oft nicht repräsentativ sind. Ich meine, es gibt diesseits der Ränder eine breite Mehrheit, die eher verunsichert ist über die Zeitläufe und darum auch eine große Offenheit besitzt gegenüber unterschiedlichen Positionen. Weniger, um sich mit ihnen leichtfertig gemein zu machen, als vielmehr, um das Angebot an Haltungen in Augenschein zu nehmen und zu einer eigenen Position finden zu können – und sei es die der Ambivalenz. Dennoch lässt sich feststellen, dass wir heute eine Tendenz haben zu einer gefährlichen Eindeutigkeit. Der Wunsch, sich im eigenen Weltbild bestätigt zu sehen, hat stark zugenommen – und damit auch die schärfere Abgrenzung zu Meinungen und Positionen, die nicht der eigenen entsprechen. Das hemmt die fruchtbare Lernbeziehung sowohl zwischen den Generationen als auch den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen.