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Kleine Häuser und große Ideen für die Welt von morgen.
Herr Lülf, Nachhaltigkeit als Basis für ein Businessmodell findet man noch nicht sehr oft. Wie kamen Sie auf die Idee, Autarkia zu gründen?
Ich bin bereits in einem grünen Haushalt groß geworden und war schon als Jugendlicher in einer Naturschutzorganisation aktiv. Wir haben zum Beispiel Nistkästen gebaut oder Streuobstwiesen angelegt, das hat mir damals schon unheimlich viel Spaß gemacht. Später habe ich in Enschede studiert und 2003 mit einigen Studienkollegen die Firma border concepts gegründet, wo wir sehr erfolgreich Messen zur Studienauswahl veranstaltet haben und uns damit zu einem mittelständischen Unternehmen mit internationaler Ausrichtung entwickelten. Das war schon super. Doch da ich eine Familie mit fünf Kindern habe, dachte ich natürlich immer wieder über unsere Zukunft nach. Dabei überfiel mich dann fast automatisch das Thema Nachhaltigkeit und es wurde mir schnell klar, dass ich genau hier aktiv werden wollte. So wurde die Idee zu Autarkia geboren.
Wann genau ging es los mit Autarkia und welche Leistungen bietet Ihr Unternehmen konkret an?
2016 habe ich Autarkia gegründet und zunächst einmal Mitstreiter gesucht, die sich ebenfalls für eine lebendige, nachhaltige Welt einsetzen wollen. Glücklicherweise hatte ich auch schnell ein richtig tolles Team beisammen, mit dem wir in einem ganz kleinen Büro gestartet sind. Manch einer hat mich gefragt, wie ich mit diesem Projekt Geld verdienen will, aber hohes Einkommen oder Karrieredenken spielen bei dem, was ich erreichen will, keine wichtige Rolle. Ich möchte mich einfach für etwas Gutes einsetzen und habe daraus einen Beruf gemacht. Was wir anbieten, ist schnell erklärt. Autarkia ist ein Messeveranstalter, so wie meine erste Firma border concepts, mit der ich nach wie vor in engem Kontakt stehe. Wir veranstalten die Green World Tour, das sind Messen, auf denen man die ganze Vielfalt der Nachhaltigkeit sehen und erleben kann. Momentan vorwiegend in Deutschland und Österreich, aber wir denken bereits weiter. Bei uns präsentieren sich Umweltunternehmen, Klimaaktivisten, Naturschützer und tolle Aussteller zu nachhaltigen Themen. Es werden Informationen über erneuerbare Energien geboten, man kann vegane Produkte probieren, sich nach sinnvollen Jobs erkundigen und so weiter. Bei der Green World Tour treffen sich Menschen zum Thema Nachhaltigkeit. Menschen, die nachhaltig denken und agieren, das gilt für sowohl für die Aussteller als auch für die Besucher. Menschen, die diskutieren, voneinander lernen und netzwerken wollen. Man könnte also sagen, wir sind ein Netzwerkveranstalter. Es gibt viel zu tun, macht aber auch sehr viel Freude, deswegen bin ich voller Leidenschaft mittendrin und mit dabei.
Diese Leidenschaft spürt man sofort, wenn man sich mit Ihnen unterhält. Tagesgeschäft einmal beiseite: Welche Vision treibt Sie an?
Wenn man eine gute Idee hat, von der man wirklich überzeugt ist, engagiert man sich ganz anders, ist richtig involviert. Das gilt nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitarbeiter. Okay, wir sind vielleicht auch ein bisschen verrückt, aber im absolut positiven Sinne. Wir wollen erreichen, dass alle Menschen und Organisationen in unserer Gesellschaft Zugang zu nachhaltigen Produkten, Dienstleistungen, Technologien und Konzepten erhalten und diese auch nutzen. Es geht uns darum, dass eine auf nachhaltigen Konsum ausgerichtete Lebensweise und ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes unternehmerisches Handeln die Mitte unserer Gesellschaft erreichen und zum Standard werden. Wir wollen den Menschen zeigen, was alles möglich ist, und nicht, was nicht möglich ist.
Wir stehen hier vor Ferdinand, einem sogenannten „Tiny House“. Sieht wirklich toll aus, aber was hat Ihr Ferdinand mit Nachhaltigkeit zu tun?
Das Thema „Tiny House“ hat mich schon immer fasziniert. Was brauche ich für ein gutes Leben? Wie bequem soll es sein? Welchen Raum brauche ich tatsächlich? Die Fläche, die wir heute zum Wohnen verschwenden, ist doch übertrieben groß. Für die Jahre, in denen die Familie gemeinsam wohnt, mag sie richtig sein, aber was passiert, wenn die Kinder später aus dem Haus sind? Dann leben die Eltern auf 120 Quadratmetern und nutzen maximal 30 davon intensiv. Deswegen finde ich die Idee eines reduzierten Wohnraums mit geringem Flächenverbrauch super, unter der Prämisse, dass man dabei auf nichts verzichten muss und dass er rundum nachhaltig konzipiert ist. So wie unser autarker Wohnwagon Ferdinand, der beweist, dass zukunftsfähiges Wohnen auf kleinstem Raum nicht nur möglich ist, sondern dazu auch noch gut aussieht. Er soll dazu anregen, das Thema Wohnen neu zu denken, und spürbar machen, dass es auch anders geht.
Das Thema „Tiny House“ hat mich schon immer fasziniert. Was brauche ich für ein gutes Leben? Wie bequem soll es sein? Welchen Raum brauche ich tatsächlich?
MICHAEL LÜLF
- Autarkia Marketplace mit nachhaltigen Produkten auf einem Rooftop-Market in Luxemburg (August 2020).
- Lars Siepmann, Solar-Fachberater und Fachinformatiker – Michael Lülf, Gründer und Geschäftsführer.
- Michael Lülf betrachtet die Dinge gerne aus einer anderen Perspektive – das ist sein Antrieb.
- Das Tiny House „Ferdinand” nutzt ausschließlich nachhaltige Technologien und Einrichtungsgegenstände.
Verkaufen Sie als Messeveranstalter denn auch Tiny Houses oder Wohnwagons?
Nein, bei uns kann man einen Ferdinand oder andere Tiny Houses nicht kaufen, man kann sich aber von uns intensiv dazu informieren lassen und alles mal ganz aus der Nähe anschauen und testen. Ferdinand ist komplett mit nachhaltigen Technologien und Produkten ausgerüstet, die jeweiligen Anbieter und deren Messestände findet man ebenfalls auf der Green World Tour. Für die ist es eine tolle Möglichkeit, ihre Ideen den potenziellen Kunden live im Wohnwagon erklären zu können. Darüber hinaus können sie sich Ferdinand auch für eigene Events ausleihen. Er ist aber nicht nur ein Demohaus, sondern gleichzeitig immer das Messehighlight. Mit seinem Solardach und den damit gekoppelten umweltschonenden Bleikristallbatterien produzieren wir den gesamten Strom für die Messestände unserer Aussteller, man braucht absolut keine umweltschädlichen Dieselgeneratoren mehr. Wir müssen also nur eine geeignete freie Fläche für unsere Events finden und mieten, und schon kann’s losgehen. Natürlich installieren wir auch ein eigenes WLAN für die Dauer der Messe. Unser erstes mobiles Tiny House haben wir uns geliehen und hieß Oskar. Er war auf das Fahrgestell eines alten Kirmeswagens aufgesetzt, vorne mit einer Zugmaschine dran. Zugelassene Höchstgeschwindigkeit: 40 Stundenkilometer! Wir haben ihn aus Österreich abgeholt und es hat schon sehr lange gedauert, bis wir auf unseren Events in Hamburg, Berlin und Münster waren, alles nur per Landstraße. Ich hatte ja schon erwähnt, dass wir ein wenig verrückt sind (lacht). Aber es hat trotzdem riesigen Spaß gemacht und wir haben natürlich auf der gesamten Reise wunderbar gewohnt.
Wo kann man so ein mobiles Tiny House aufstellen? Kann ich damit wohnen, wo ich will?
Im Prinzip ja, denn anders als bei stationären Häusern können Sie ein Tiny House mobil verlegen und müssen sich nicht langfristig auf einen Standort festlegen oder eine Baugenehmigung beantragen. Unser Ferdinand hier ist aus Holz gebaut, mit Flachs gedämmt und mit Lehm verputzt. Er ist völlig autark, produziert seinen eigenen Strom, verfügt über eine Infrarotheizung, eine Trenntoilette, eine Wasserfiltrationsanlage und vieles mehr. Deswegen kann man mit ihm beispielsweise Baulücken, temporäre Flächen oder freie Flächen in Ballungszentren nutzen.
Klingt spannend. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen für das Thema interessieren. Spüren Sie das auch auf Ihren Messen?
Absolut. Im Durchschnitt haben wir um die 70 Aussteller auf unseren Messen und es kommen zwischen 3000 und 5000 Besucher. Zuletzt waren wir in Berlin auf einem tollen Gelände und es kamen trotz der aktuellen Sicherheits- und Hygieneauflagen wegen Corona unheimlich viele Menschen, die sich so wie wir für das Thema Nachhaltigkeit begeistern. Unser Konzept, Messen von indoor nach outdoor zu bringen, hat die Sache dabei natürlich echt erleichtert.
Wie geht es weiter? Man hat das Gefühl, dass Sie noch viel mit Autarkia vorhaben.
Wir möchten mit der Green World Tour in jede größere Stadt in Deutschland, um gleichgesinnten Unternehmen und kreativen Köpfen aus der jeweiligen Region eine Messeplattform zu bieten, auf der sie ihre nachhaltigen Ideen und Produkte präsentieren können. Das regionale Konzept ist uns sehr wichtig, denn wo Anbieter und Besucher keine lange Anreise haben, spart das gleichzeitig Kosten und CO2-Emissionen. Außerdem peilen wir bereits das europäische Ausland an, denn Nachhaltigkeit wird auch dort ein immer größeres Thema. Doch ganz egal, wo wir sind, die Menschen sollen spüren, hey, reduziertes Leben kann ja tatsächlich funktionieren. Ich kann anders leben, nachhaltiger, vielleicht ja sogar in so einem autarken Wohnwagon, und dabei etwas finden, das für mich persönlich und für die Welt, in der ich lebe, einfach mehr Sinn macht.