*** HINTERGRUNDFARBE DER KOPFZEILE ANALOG ZUM ERSTEN ABSCHNITT ANZEIGEN ***

Die Kraftwerker.

______ Am Anfang war die Idee: Gülle und Mist in grünes  Gas verwandeln. Gedacht, getan. Drei landwirtschaftliche Betriebe schlossen sich zusammen, um ein gigantisches Projekt zu stemmen. 30 Millionen Euro wurden in die Biogasanlagen und die Aufbereitungsanlage investiert, die heute auf den Höfen der Familien Lenting, Bröker und Wolters stehen. Auf dem Hof der Familie Lenting laufen die Gasleitungen der Partner sternförmig zusammen. Am Ende des Wandlungsprozesses fließt grünes Biomethan in die nur 100 Meter entfernt liegende regionale Ringleitung.

Wenn man auf den Hof der Lentings fährt, sieht man statt gescheckten Kühen und wogenden Feldern als Erstes ein grünes Plakat, auf dem in großen Buchstaben ‚Wir lassen den Gashahn offen. Garantiert.‘ steht. Die Männer, die es aufgestellt haben, sind Werner (54) und Christian Lenting (32), Vater und Sohn. Wir treffen sie in ihrer gemütlichen Wohnstube, es wird selbst gemachter Kuchen serviert.

Werner Lenting erzählt uns, dass seine Familie früher eine Kälbermast mit 1.200 Tieren betrieben hat. „Parallel dazu haben wir schon 2001 als zweites Standbein auf die Nutzung einer eigenen Biogasanlage gesetzt, in der wir Abfallstoffe aus der Industrie und angelieferte Reststoffe in umweltfreundliches Gas für unser Blockkraftheizwerk umgewandelt haben.“ Als die Anlage 2002 ans Netz ging, waren die Lentings nicht nur energetisch autark, sondern konnten den nicht genutzten Strom sogar ins Netz einspeisen, immerhin 95 % der erzeugten Energie. „Das ganze Projekt war damals unter anderem deshalb realisierbar, weil die Erlöse aus dem Stromverkauf über das EEG 20 Jahre fest vereinbart waren“, erklärt sein Sohn Christian. „Als der Zeitraum des Festpreises immer kürzer wurde, haben wir uns natürlich überlegt, wie wir uns wirtschaftlich am besten für die Zukunft aufstellen können.“ 

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie die Kälbermast bereits eingestellt und für die ursprünglich einmal geplante Umstellung auf Bullenmast reichte die vorhandene Betriebsfläche nicht. „Bei uns und den anderen Landwirten läuft die feste EEG-Vergütung aus, damit ist unser bisheriges Konzept nicht mehr auskömmlich. Wir brauchten also eine neue Idee für die Zukunft. Zum Beispiel eine, wie wir die enorme Abwärme bei der Stromerzeugung energetisch und wirtschaftlich optimal nutzen können. Speist man das Gas nämlich in das Erdgasnetz ein, statt es vor Ort in Strom umzuwandeln, kann die erzeugte Energie an anderer Stelle zu 100 % verbraucht werden.“ Eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung für das Problem war die regionale Ringgasleitung, die nur 100 Meter vom Hof der Lentings entfernt verläuft. Aber würde es sich langfristig lohnen, das Biogas kostspielig technisch aufzubereiten, um es direkt einspeisen zu können? Im Alleingang garantiert nicht, so der Taschenrechner. Also sprachen Vater und Sohn die beiden befreundeten Landwirte an. „Wir brauchten zuverlässige Mitstreiter, denen unser Konzept gefiel und die bei uns mitmachen wollten, am besten gleich mehrere“, schildert der Senior die Partnersuche. 

Mit Erfolg. Die Familienbetriebe Wolters und Bröker haben sich bereits mit den Initiatoren zusammengetan und liefern ihr Rohbiogas per Direktleitung zur gemeinsamen Aufbereitungsanlage auf dem Lenting-Hof, wo es aufbereitet und in die Ringleitung eingespeist wird. Die Gülle und den Mist für die eigenen Biogasanlagen holen die Betriebe von den umliegenden Höfen ab.

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  1. Bei einer Anlage dieser Dimension ist alles etwas größer – auch die Fermentationstürme. So ist die Anlage ein weit sichtbares Zeichen für grüne Energiegewinnung.

  2. Noch ist aus dem Inneren der Türme der Himmel zu sehen. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird hier aus Biomasse Energie gewonnen.
Werner Lenting
Johannes Wolters
Gabi Wolters

Trotz der enormen Summe von 30 Millionen Euro haben wir nie Stress miteinander gehabt, es gibt einen guten Zusammenhalt untereinander.

CHRISTIAN LENTING

Lukas Wolters
Sebastian Bröker

Wir brauchten zuverlässige Mitstreiter, denen unser Konzept gefiel und die bei uns mitmachen wollten, am besten gleich mehrere.

WERNER LENTING

Hier im Herzen der Anlage fließt das produzierte Biogas aller Kraftwerker zusammen und wird zu Biomethan wiederaufbereitet. Der Standort ist optimal – denn die regionale Erdgas-Ringleitung liegt nur 100 Meter vom Hof der Lentings entfernt.

Die Kraftwerker (v. l. n. r.): Werner Lenting, Christian Lenting, Sebastian Bröker, Johannes Wolters, Gabi Wolters, Lukas Wolters. Es fehlt: Betrieb Schlottmann.

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Wir lassen den Gashahn offen. Garantiert!

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  1. Das Rohbiogas wird gekühlt, dadurch kondensiert das enthaltene Wasser und wird abgeschieden. Danach durchläuft das Rohbiogas große Filterbehälter mit Aktivkohle, die den unerwünschten Schwefel herausfiltern.
  2. Im Container wird das abgeschiedene CO2 durch extreme Abkühlung verflüssigt, um es in Tanks lagern zu können.
  3. In großen Lettern begrüsst einen diese Werbetafel von biovollgas.de an der Einfahrt zum Hof.


In einer Biogasanlage werden organische Stoffe wie Gülle und Mist in einer warmen, feuchten Umgebung unter Luftabschluss durch Bakterien mikrobiologisch abgebaut. Dabei entsteht ein Gasgemisch, das zu etwa 60 % aus Methan besteht. Dieses Biogas wird entweder zum Betreiben eines Blockkraftheizwerks genutzt, um Strom und Wärme zu produzieren, oder es wird gereinigt und aufbereitet, um Biomethan zu erzeugen. Biomethan weist ähnliche Eigenschaften wie Erdgas auf, weshalb es auch als „grünes Erdgas“ bezeichnet werden kann.

„Die Erzeugung von grünem Gas lohnt sich vor allem durch den gestiegenen CO2-Preis“, erklärt Christian Lenting. „Wir verdienen unser Geld primär nicht durch die Energie des eingespeisten Gases, sondern durch die CO2-Einsparungen, die das Gas für Abnehmer wertvoller machen. Da aus Klimaschutzgründen ab 2050 kein fossiles Gas mehr verwendet werden darf, hat unser Biogas außerdem gute Zukunftsaussichten. Insgesamt war die Entscheidung, auf Gas umzusatteln, goldrichtig.“ Bevor das erste Gas fließen konnte, hieß es erst einmal tief in die eigene Tasche greifen und viel Geduld haben. „Etwa 250.000 Euro haben wir selbst investiert, bevor wir überhaupt wussten, ob wir unser Vorhaben realisieren könnten. Als sich abzeichnete, dass dem Vorhaben nichts mehr im Weg stand, haben wir mit unseren Partnern die Biomethan Nienborg GmbH & Co. KG gegründet. Anschließend konnten wir loslegen“, erinnert sich Werner Lenting. Leicht war der Anfang nicht. „Allein das Genehmigungsverfahren war sehr kompliziert, weil so viele Behörden involviert waren. Vom ersten Geldausgeben bis zur fertigen Anlage sind viele Jahre vergangen, da musste man beharrlich dranbleiben. Und sich nicht verrückt machen lassen. Seit 2016 heißt es ja überall, das Biogas angeblich tot ist, aber irgendwann sind doch die fossilen Ressourcen verbraucht – und dann? Die Produktion sauberer Energie muss daher belohnt werden. Sonst passiert uns das Gleiche wie der blühenden deutschen Photovoltaikindustrie, die jetzt am Boden liegt, obwohl das CO₂-Problem schon lange bekannt ist.“ Sein Sohn pflichtet ihm bei: „Das Ganze hier hat alle Beteiligten so um die 30 Millionen Euro gekostet. Das Risiko einer so hohen Investition kann man nicht ohne zuverlässige politische Rahmenbedingungen auf sich nehmen. Es ist, wie mein Vater sagt: Saubere Energie muss belohnt werden. Wir und unsere Partner haben hier viel Verantwortung übernommen, Verantwortung für die finanzielle Sicherheit unserer Familien und natürlich Verantwortung für die Umwelt durch die Produktion von grünem Gas. Darüber, dass es mittlerweile so gut läuft, sind wir beide daher froh und stolz zugleich.“

Nach dem Kaffee führen uns Vater und Sohn über das Betriebsgelände. Im Hintergrund ragen zwei riesige Türme auf, jeder von ihnen hat 11.000 m³ Gärvolumen. Dabei handelt es sich um Bioreaktoren, in denen Gülle und Mist unter Ausschluss von Sauerstoff fermentieren. Bei der Zersetzung des organischen Materials durch Mikroorganismen entstehen dann unter anderem Methan und Kohlendioxid. Was nach der Fermentation übrig bleibt, ist das sogenannte Gärsubstrat, das als hochwertiger Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen verwendet werden kann. „Das erzeugte Gas enthält zunächst nur 54–60 % Methan, aber nur 96%iges Methan entspricht der Erdgasnorm und darf in die Leitung eingespeist werden. Gleichzeitig muss sämtliches CO₂ herausgeholt werden. Dies geschieht durch eine Membranaufbereitung. Dabei wird das Rohgas unter Druck durch ca. 2 Meter lange Membranröhren geleitet. Durch die unterschiedlichen Molekülgrößen kann man so die unterschiedlichen Gase voneinander trennen. Das entzogene CO₂ wird anschließend verflüssigt und an industrielle Nutzer verkauft, etwa für die Lebensmittelproduktion. Unser CO₂ ist nämlich lebensmittelecht“, erläutert Christian Lenting. „Parallel produzieren wir auch weiterhin unseren eigenen Strom und sind dadurch autark.“

Befreundete Biogasunternehmer aus anderen Regionen Deutschlands staunen oft, dass wir Landwirte hier im Westmünsterland so gut miteinander auskommen.

Die Kraftwerksbetreiber blicken zuversichtlich in die Zukunft. Ihre Anlagen erzeugen bis zu 90 Millionen Kilowattstunden pro Jahr, das reicht für den Wärmebedarf von ca. 4.500 Eigenheimen. „Das Biogas ist bereits bis 2030 vermarktet, damit wir eine sichere Finanzierung gewährleisten konnten. Trotz der enormen Summe von 30 Millionen Euro haben wir nie Stress miteinander gehabt, es gibt einen guten Zusammenhalt untereinander“, freut sich Christian Lenting. „Befreundete Biogasunternehmer aus anderen Regionen Deutschlands staunen oft, dass wir Landwirte hier im Westmünsterland so gut miteinander auskommen. Sonst heißt es oft: Wenn du drei Bauern unter einen Hut bekommen willst, musst du zwei tothauen (lacht). Selbstverständlich gibt es auch ab und zu mal Streit, aber dabei geht es immer sachlich zu.“

Wir haben viel gelernt über Gülle, Mist, wie man daraus grünes Gas gewinnt und Verantwortung für saubere Energie übernimmt. Die drei Familien können zu Recht stolz sein auf ihr umweltfreundliches System und dass sie den Mut hatten, sich von der traditionellen Landwirtschaft zu lösen und sich als Kraftwerker neu zu erfinden. Wir wünschen weiter viel Erfolg!