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Die Zeitmesser
______ Was ist eigentlich Zeit? Sie ist laut Albert Einstein vor allem relativ, weil ihre Wahrnehmung je nach Geschwindigkeit und Gravitation unterschiedlich ist. Bestimmen können wir sie daher nur anhand dessen, was auf Zeitmessern, also Uhren, angezeigt wird. Sie stellen die Zeit optisch dar und geben uns wichtige Orientierung – obwohl die Zeit selbst in ihrem Kern nicht greifbar ist. Kompliziert, oder? Deswegen haben wir für diese Ausgabe die Ahauser Zeit- und Uhrexpertinnen und -experten von Wichelhaus besucht, um uns die Sache einmal genauer erklären zu lassen.
Zeitlos. Zeitgemäß. Und der Zeit voraus. So lautet das Motto des Familienunternehmens, das seit 1886 Uhren nicht nur verkauft und repariert, sondern auch mit viel handwerklicher Leidenschaft in der eigenen Meisterwerkstatt konstruiert.
2011 übernahm mit Elke Fleer die vierte Wichelhaus-Generation die Geschäftsleitung. Sie ist nicht nur Expertin für Schmuck und Juwelen, sondern kennt sich als Uhrmachertochter natürlich auch mit Zeitmessern und ihrer Geschichte hervorragend aus. Während Vater Georg gemeinsam mit Elkes Ehemann Christian besondere historische Uhrenmodelle für uns aufbaut, macht sie mit uns eine Zeitreise zurück zu den Anfängen der Zeitbestimmung

Die Menschen fingen an, die Zeit mit Kalendern und Uhren zu messen, um Ordnung und Struktur in ihr Leben zu bringen und sich besser an den natürlichen Rhythmen der Umwelt zu orientieren.
Anfangs war das besonders wichtig für die Landwirtschaft, aber auch für die Festlegung religiöser Zeremonien und Bräuche. Ohne genaue Uhren musste man sich früher auf die Sonne verlassen. „Die alten Ägypter bauten dann vor 5000 Jahren die ersten Sonnenuhren, bei denen Obelisken ihren Schatten warfen. So konnte man wenigstens grob erkennen, wie spät es war. Das war schon ein Fortschritt! In der Antike kamen dann clevere Erfindungen wie die Wasseruhr und die Sanduhr dazu. Die waren zwar unabhängig von Sonnenlicht, aber immer noch nicht sehr präzise.“, beginnt Elke Fleer ihre Erzählung. Sie steht auf und zeigt vom Fenster aus auf den Turm der Kirche St. Mariä Himmelfahrt, schräg gegenüber von ihrem Geschäft. Zuerst lenkt sie unsere Aufmerksamkeit auf die schmucke kleine Sonnenuhr dort oben, danach auf das große goldfarbige Zifferblatt der Turmuhr. „Im Mittelalter wurden die ersten mechanischen Turmuhren entwickelt, vor allem für Kirchen und Klöster. Ohne Zifferblätter, ohne Zeiger, die Zeit wurde durch Glockenschläge verkündet. Da es damals noch keine Minuten oder Sekunden gab, war man im Umgang mit der Zeit bestimmt etwas flexibler.“ Doch es dauerte nicht lange, bis die ersten mechanischen Uhren ihren Siegeszug begannen. Sie waren nicht nur präziser, sondern auch tragbar, wenn auch zunächst nur für wohlhabende Leute. Diese frühen Uhren tickten* noch relativ ungenau, aber das reichte schon, um den Menschen ein neues Gefühl von Zeitbewusstsein zu geben.
Elke Fleer ist in ihrem Element. „So etwa Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Zeitmessung durch die Erfindung des Pendels und später der Pendeluhr revolutioniert. Auf einmal konnten Sekunden gemessen werden und die Zeit bekam ein völlig anderes Tempo. Sie schien schneller zu vergehen, wurde wertvoller. Deswegen heißt es seitdem: Zeit ist Geld!“
Mit der Industrialisierung wurde die Uhr endgültig zur Herrscherin über das menschliche Leben. Fabriken arbeiteten nach Schichtplänen, Züge mussten pünktlich sein, und der Tag wurde minutiös durchstrukturiert. Der moderne Mensch wurde zum Sklaven der Uhr. Elke Fleer legt ihr Smartphone auf den Tisch. „Und das ist die Uhr, die heutzutage jeder von uns in der Tasche trägt. Damit können wir die Zeit zwar super genau ablesen, haben aber trotzdem irgendwie nie genug davon, oder?“ Unsere Beziehung zur Zeit hat sich im Laufe der letzten Jahrtausende deutlich verändert, sagt sie.
- Die Zeitmesser im Portrait (v. l. n. r.): Christa Kastner, Georg Kastner, Christian Fleer, Elke Fleer
- Portrait Elke Fleer. Juwelier Wichelhaus beschäftigt ingesamt 14 Mitarbeiter, davon 3 Uhrmachermeister.
- Ein klassisch lateinisches Ziffernblatt einer Turmuhr.
„Früher war Zeit etwas, das man beobachtete, heute ist sie etwas, das man kontrollieren will – oder vielmehr etwas, das uns kontrolliert.“
ELKE FLEER


Vater Georg hat die ganze Zeit über geduldig zugehört. Er ist stolze 84 Jahre alt, seit 1968 Uhrmachermeister und so fasziniert von ungewöhnlichen mechanischen Uhren, dass er davon bereits fast fünfzig nachgebaut oder liebevoll restauriert hat. Als Hobby, versteht sich, denn verkaufen würde er seine Meisterwerke, stets mit sichtbarer Mechanik, natürlich niemals. Seine größte Zeitmaschine, die geniale Wichelhaus-Uhr*, ist bis weit über die Grenzen von Ahaus bekannt und kann in einem Schaufenster des Geschäfts bewundert werden.


„Wenn ich Uhren repariere, ist das für mich die totale Entspannung. Dabei bekomme ich die Zeit gar nicht mit.“
GEORG KASTNER

*Das Tick und Tack von Uhren ist ein charakteristisches Geräusch mechanischer Uhren, das durch die Bewegung des Ankerrads und der Hemmung entsteht. Diese Mechanismen, die das Ticken verursachen, wurden im 13. Jahrhundert mit der Entwicklung der ersten mechanischen Uhren eingeführt. Mit der Zeit wurden Uhren immer präziser, und das Geräusch des „Ticktacks“ blieb ein vertrauter Begleiter mechanischer Uhren bis heute. Elektronische und Quarzuhren, die im 20. Jahrhundert aufkamen, ticken meist nicht mehr hörbar, da sie andere Technologien zur Zeitkontrolle verwenden.
- Bis heute ist die Expertise von Herrn Kastner in der Werkstatt gefragt, zum Beispiel bei Großuhren. Im Hause nennt man ihn anerkennend: „Meister der Zeit“.
- Ferdinand Wichelhaus’ Meisterstück, von Schwiegersohn Georg liebevoll restauriert und neu vergoldet.
- Georg Kastner in seinem Element
Die Wichelhaus-Uhr steht für Tradition und Handwerkskunst. Georg Kastner hat dafür ein altes Turmuhrwerk nach eigenen Ideen umgebaut und in über 600 Arbeitsstunden mit komplizierten Zusatzfunktionen ausgestattet. Die Kalenderschaltung, die Funkregulierung und die Mondphasensteuerung sind seine Erfindung. Das Kalenderwerk ist auf 4000 Jahre programmiert, mit allen unterschiedlichen Monatslängen. Eine Funkregulierung korrigiert einmal am Tag jede mögliche Gangabweichung.


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Besuchende können die Wichelhaus-Uhr in ihrer ganzen Pracht im Geschäft bestaunen.
1 Die aktuelle Stunde
2 Die aktuelle Minute
3 Die aktuelle Sekunde
4 Die 24-Std.-Anzeige
5 Der ausgeschriebene Wochentag, z. B. Sonntag, Montag usw.
6 Der ausgeschriebene Monat, z. B. Januar, Februar usw.
7 Die Monatsanzahl (1–12)
8 Die Anzahl der Tage des laufenden Monats (28, 29, 30 oder 31)
9 Das Tagesdatum
10 Die Mondphase mit Mond-Abbildung
11 Die Wochenanzahl im laufenden Jahr (1–52)
12 Die Jahresanzeige, z. B. 1917 oder 1918
13 Die Schaltjahr-Anzeige, Schaltjahr und Jahre nach dem Schaltjahr (1, 2 und 3)
14 Die Weltzeit von Los Angeles und Vancouver (–9 Std.)
15 Die Weltzeit von New York und Montreal (–6 Std.)
16 Die Weltzeit von Rio de Janeiro und Buenos Aires (–4 Std.)
17 Die Weltzeit von London und Algier (– 1 Std.)
18 Die Weltzeit von Frankfurt und Paris (MEZ)
19 Die Weltzeit von Helsinki und Kairo (+ 1 Std.)
20 Die Weltzeit von Bangkok und Djakarta (+ 4 Std.)
21 Die Weltzeit von Tokio und Seoul (+ 6 Std.)
22 Die Weltzeit von Sydney und Melbourne (+ 9 Std.)
3.000 Einzelteilen, davon allein 856 Schrauben, 154 Steinlager und 43 Kugellager.
Wann haben Sie Ihre Liebe zur Zeitmessung entdeckt, Herr Kastner? „Das begann schon, als ich ein kleiner Junge war“, erinnert sich der Senior. „Die Sonne schien durch das Dachfenster in mein Kinderzimmer und warf dort Schatten an die Wand, das hat mich irgendwie in den Bann gezogen. Also habe ich mit dem Bleistift kleine Striche an die Wand gemacht und mir so meine erste Sonnenuhr gebaut.“ Die nächste Zeitmessungsaufgabe war dann bereits etwas komplexer. „Wie bekomme ich das Datum in eine mechanische Uhr und wie schaffe ich es, einen ewigen Kalender einzubauen?“ Kein Problem für den geborenen Tüftler, seine Kalenderkonstruktion löst selbst das Schaltjahrproblem und führt automatisch die alle 100 Jahre notwendige Februarkorrektur durch: „Nicht einfach, daran habe ich fast 20 Jahre gearbeitet.“ Georg Kastner lässt sich auch heute noch von ungewöhnlichen Uhren und ihren Komplikationen faszinieren, jenen zusätzlichen Funktionen, die über die reine Zeitanzeige hinausgehen.
Tischuhr „GK Edition 2004“



Jetzt wollen wir natürlich wissen, ob der Zeitexperte eine persönliche Lieblingsuhr hat. Er zeigt auf seine Armbanduhr. „Wahrscheinlich ist es diese Funkuhr hier. Die brauche ich täglich als Kontrolluhr, weil sie immer die absolut genaue Zeit zeigt.“
Für Georg Kastner ist der schönste Platz im Elternhaus seiner Frau, in dem sich auch das Geschäft seit 130 Jahren befindet, auch heute noch die Werkstatt. „Wenn ich komplizierte Uhren zerlege, ist das für mich die totale Entspannung. Dabei bekomme ich die Zeit gar nicht mit.“ Damit bringt er uns alle zum Lachen, denn wann findet man schon einmal einen waschechten Zeitmaschinenbauer, der bei der Arbeit regelmäßig die Zeit vergisst?
- Ein Meisterwerk der Uhrmacherkunst: Die wunderschöne Tischuhr „GK Edition 2004“ mit über 3.000 Einzelteilen, davon allein 856 Schrauben, 154 Steinlager und 43 Kugellager.
- Auf den Zifferblättern oben können weltweite Uhrzeiten abgelesen werden, darunter zeigt die Uhr als weitere Komplikation Namenstage und ihre jeweiligen Schutzpatrone an.
- Georg Kastners einzigartige Uhr kombiniert ein mechanisches mit quartzbetriebenen Uhrwerken. Der mechanische Teil bietet zum Beispiel einen Wecker, eine Mondphasenanzeige, einen ewigen Kalender mit Jahrhundert-Korrektur, ein Läutwerk mit Glocken, Luftdruck und Temperaturanzeige, ein Melodie- Modul und vieles mehr. Ergänzt wird das Meisterwerk durch redundante Elektronik-Steuerungen und eine stimmungsvolle Beleuchtung.
Zeit für einen Blick in die Zukunft. Wie geht es weiter mit den Uhren und vor allem: Was steht für Wichelhaus im ewigen Kalender? Wir leben vom Verkauf in Verbindung mit Handwerk und gutem Service“, sagt Elke Fleer, „und das wird auch in Zukunft so bleiben. Keine KI der Welt kann Uhren reparieren oder einen Kunden persönlich in Stilfragen beraten. Dieses Können und Wissen wurde immer schon sehr geschätzt und das wird sich in der Zukunft nicht ändern.“


„Der Trend geht auch aktuell wieder vom High-tech in Richtung Highmech, also ausgefeilte Mechanik: Ticktack ist eben schöner als Tiktok.“
CHRITIAN FLEER


Wir fragen ihren Ehemann und Uhrenmarktspezialist Christian Fleer, ob die Menschen seiner Meinung nach trotz der Zeitanzeige auf ihren Smartphones weiterhin herkömmliche Uhren kaufen. „Selbstverständlich, schließlich sind sie viel mehr als reine Zeitmesser. Gerade klassische Uhren, ob Automatikuhr oder Handaufzug, waren und sind immer noch sehr gefragt. Auch die Uhrenmode ändert sich ständig, schauen Sie sich nur die unterschiedlichen Armbanduhren der letzten Jahrzehnte an. Manche Damenuhren waren reine Accessoires und so klein, dass man die Zeit darauf nicht mehr ablesen konnte.
Und Smartwatches sind momentan eben die angesagten Uhren für Leute im Hier und Jetzt.“ „Es gibt übrigens auch Uhren, die das Leben entschleunigen“, ergänzt seine Frau, „Einzeigeruhren etwa, bei denen es nicht auf jede Sekunde ankommt. Wer so eine Uhr trägt, der möchte sich treiben lassen und ist mit einer lockeren Zeitangabe zufrieden, die auf etwa fünf Minuten genau ist. Wissen Sie, wir verkaufen zwar Zeit – aber die muss nicht immer schnell sein.“
Danke für den Denkanstoß, Frau Fleer. Vielleicht muss Zeit tatsächlich nicht immer schnell sein. Vielleicht sollten wir Zeitgestressten uns nicht von Bruchteilen einer Sekunde takten lassen, sondern uns wieder etwas mehr wie die Menschen im alten Ägypten fühlen, die den Lauf der Zeit einfach als natürlichen Teil des Lebens betrachteten und nicht als tickende Deadline. Denn eines ist sicher: Die Zeit läuft immer weiter, ob wir sie messen oder nicht.

Fabian Terfort
Die Volksbank Gronau-Ahaus ist tief in der Region verwurzelt. Fabian Terfort ist hier groß geworden und denkt gern an seine Kindheit zurück: „Als kleiner Junge stand ich oft vor der riesigen Wichelhaus-Uhr mit ihren unzähligen Zeigern und goldenen Rädchen. Diese Uhr ist einfach ein Stück Ahaus.“ Mittlerweile berät er die Familie seit vielen Jahren finanziell und ist stolz auf die persönliche Verbindung, die dabei entstanden ist. „Es ist ein schönes Gefühl, eng
mit so einem traditionsreichen Unternehmen aus Ahaus zusammenzuarbeiten und die Zukunft der Heimat mitzugestalten.“
Fabian Terfort, Bereichsleiter Privatkunden bei der Volksbank Gronau-Ahaus.
- Mit ruhiger Hand und größter Präzision bringt der Uhrmacher jedes Detail zur Perfektion – eine Arbeit, die höchste Konzentration und handwerkliches Können verlangt.
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Profitools im Wartestand – immer griffbereit, wenn es Zeit für Feinarbeit ist.
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Wenn die Uhr nicht mehr richtig tickt, ist es Zeit für den Fachmann.
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Jedes Uhrwerk ist anders und jede Reparatur eine neue Herausforderung.